Die kurze Republik
Mohammed Daud, der bereits bis 1963 Premierminister gewesen war, nutzte die Stagnation des Reformprozesses und die Unzufriedenheit mit dem König und übernahm im Juli 1973 unterstützt von der marxistischen Partei Partscham („Fahne“) die Macht. Er setzte Sahir Schah ab, hob die Verfassung von 1964 auf und ernannte sich selbst zum Staatsoberhaupt. Die Partscham war eine Abspaltung von der 1965 gegründeten Kommunistischen Partei Chalk (kurz „Volk“ für „Demokratische Volkspartei“). Während der Chalk-Flügel eher Männer ländlicher Herkunft und viele Paschtunen um sich gruppierte, fanden sich in der Partscham-Gruppierung eher Männer städtischer Herkunft und der Oberschicht ein. König Sahir Schah ging ins Exil nach Italien, wo er bis heute (2001) lebt.
Während seiner zweiten Amtszeit entfernte sich Daud von dem sozialistischen Programm, welches seine Regierung bei der Machtübernahme verkündet hatte. Es gelang ihm in den folgenden zwei Jahren alle marxistischen Minister in seinem Kabinett auszutauschen und dadurch seine eigene Position zu stärken.
Zu Beginn des Jahres 1977 wurde eine neue Verfassung verabschiedet und Daud wurde im März in das mit großen Machtbefugnissen ausgestattete Amt des Präsidenten gewählt. Er ernannte ein bürgerliches Kabinett, das aus Freunden und Teilen der königlichen Familie bestand. Da Daud ebenfalls die Politik der Bündnisfreiheit des Landes beibehielt und eine erneute Annäherung an Moskau ablehnte, konnte er weder mit Moskaus Unterstützung noch der Loyalität der Offiziere rechnen, die ihn 4 Jahre zuvor ins Amt gebracht hatten.
In der Folge bemühte sich Daud, Afghanistan aus der Abhängigkeit der Sowjetunion (und der USA) zu befreien. Es gelang ihm, sich mit dem Schah des Irans zu verständigen und mit Zulfikar Ali Bhutto, dem Premierminister von Pakistan, eine Abmachung zur Lösung des Paschtunistan-Konfliktes zu treffen. Weiterhin erweiterte und intensivierte er die Kontakte zu anderen muslimischen Staaten und bereiste im März und April 1978 Kuwait, Ägypten und Saudi-Arabien.
Die Hinwendung zur islamischen Welt konnte Dauds Umsturz jedoch nicht aufhalten. Die ehemals zerstrittenen marxistischen Organisationen Partscham und Chalk schlossen sich gegen Daud zusammen. Auf eine Serie von politischen Attentaten und gegen die Regierung gerichteten Massendemonstrationen folgte im April 1978 ein gewaltsamer Staatsstreich, bei dem Daud und ein großer Teil seiner Familie getötet wurden.
Die beiden Parteiflügel Chalk und Partscham teilten sich zunächst die übernommene Macht. Ein Revolutionsrat unter Führung Mohammed Tarakis (Chalk) wurde als Regierung eingesetzt. Babrak Karmal, Führer des Partscham-Flügels und Hafisullah Amin (Chalk) wurden zu Vize-Präsidenten gewählt. Die Führer der neuen Regierung betonten ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion, setzten die Verfassung außer Kraft und verkündeten ein Programm des „Wissenschaftlichen Sozialismus“.
Schon bald nach der Machtübernahme traten die Differenzen zwischen dem Chalk- und dem Parcham-Flügel wieder offen hervor. Die Chalk-Fraktion, die ihren Rückhalt besonders in der Armee hatte, gewann jedoch schnell die Oberhand: Partscham-Leute wurden entlassen oder auf Botschafter-Posten versetzt (so auch Babrak Karmal) und dann ganz ausgeschaltet.
Das Reformprogramm des Taraki-Regimes, das traditionelle kulturelle afghanische Sitten zu unterminieren drohte und vor allem die Brutalität und die politische Repression der neuen Führung, resultierten in wachsendem Widerstand der Bevölkerung gegen das zentralistische Regime.
Die Entfremdung besonders der paschtunischen Bevölkerung von Tarakis Politik ging so weit, dass aus dem Widerstand ein „Heiliger Krieg“ (Jihad) gegen Kabul wurde, der sich erstmals im Sommer 1978 in einer gewaltsamen Revolte in Nuristan manifestierte. Weitere Aufstände im ganzen Lande folgten.
Da sie die Rebellion nicht eindämmen konnten, baten Hafisullah Amin, seit März 1979 Regierungschef, und Taraki, nach wie vor Präsident des Revolutionsrat, die Sowjetunion um Hilfe. Trotz der sowjetischen Militärhilfe setzte sich der Widerstand gegen die Regierung fort.
Im September 1979 wurde Taraki nach der Rückkehr von einer Reise aus Moskau von seinem Rivalen Hafisullah Amin getötet, der so seiner Absetzung zuvorkommen wollte.